Der neulich erschienene Konzernatlas 2017 liefert zahlreiche Daten und Fakten über die Agrar- und Ernährungsindustrie vom Saatgut bis zum Teller. Ein Fakt zieht sich wie ein roter Faden durch die vielfältige Produktionskette: Immer weniger, stetig wachsende internationale Konzerne beherrschen die globalen Märkte. Große Lebensmittelproduzenten nutzen ihre so entstandene Vormachtstellung, um Druck in alle Richtungen auszuüben – gegenüber den vorgelagerten Rohstofflieferanten und dem nachgelagerten Einzelhandel. Im Einzelhandel wiederum dominieren wenige große Ketten das Marktgeschehen und lassen kleinen, inhabergeführten Läden kaum eine Überlebenschance. Ziel all dieser Geschäftspraktiken ist Gewinnmaximierung um jeden Preis. Die Folgen sind Umweltzerstörung, Klimawandel, Hunger, Krankheiten, soziale Schieflagen – von Nachhaltigkeit keine Spur.
Die Verflechtungen sind dermaßen unübersichtlich, dass sie für Otto Normalverbraucher kaum nachvollziehbar sind. Ein einfaches Beispiel: Der Hersteller der in der Bio-Szene schnell zum Kultgetränk avancierten Bionade, einst angetreten, um eine Alternative zu den extrem zuckrigen und zusatzstofflastigen Limos anzubieten, wurde vor einigen Jahren von der Radeberger Gruppe übernommen. Diese wiederum gehört zur Dr. August Oetker KG. Viele ökologisch orientierte Einzelhändler haben die Bionade daraufhin aus dem Sortiment genommen, weil sie die Oetker-Gruppe nicht unterstützen wollten. Man musste ja nun damit rechnen, dass die Gewinne aus dem Bionade-Verkauf in die weitere Verbreitung von Fertiggerichten der übelsten Sorte fließen.
Biomarkt-Kund*innen sind dadurch auf diesen Deal aufmerksam geworden. In der Regel bekommen wir Konsument*innen derartige Übernahmen oder Fusionen aber gar nicht mit, denn erfolgreiche Marken werden vom neuen Eigentümer unverändert beibehalten. Mit anderen Worten: Im Supermarktregal steht nach wie vor das gewohnte Produkt.
Dieses Beispiel illustriert nicht nur das grundsätzliche Problem. Es zeigt außerdem, dass diese fatale Entwicklung auch die Bio-Branche erfasst, die bei vielen Menschen ein recht großes Vertrauen genießt. Zahlreiche nachhaltig orientierte Unternehmer*innen zeigen zwar, dass man auch mit der nötigen Portion Idealismus gewinnbringend wirtschaften kann. Andere jedoch haben den Anspruch, dass ihre Produkte den konventionellen Pendants immer ähnlicher werden müssen und kopieren dafür umstrittene Methoden großer Konzerne. Ähnlich sieht es im Handel aus. Kleinere Bioläden sind zu großen Handelsketten mutiert, die sich nicht zu schade sind, die Masche der konventionellen Discounter zu übernehmen: Dem Ehrgeiz, immer der Billigste zu sein, wird alles andere untergeordnet. Das führt zu sinkender Qualität, schlechteren Arbeitsbedingungen und letztlich zu so starken Druck auf die Bauern, dass die Anforderungen an den ökologischen Landbau verwässern.
Egal ob konventionell oder bio – es lohnt sich, die Lebensmittel, die wir kaufen, nicht nur nach ihrem Wert an sich zu beurteilen. Viel ist von Qualität die Rede, aber was ist das eigentlich? Schmecken soll es natürlich und die Rohstoffe hochwertig sein. Für mich gehört dazu auch, die Herstellungsprozesse und Vertriebsstrukturen kritisch zu hinterfragen. Das ist nicht ganz einfach, schließlich präsentieren sich Unternehmen in der Öffentlichkeit nur von der besten Seite und reden auch ihre Schwachstellen schön. Wer einmal anfängt zu stöbern, kann jedoch erstaunliche Entdeckungen machen. Der Konzernatlas stellt dafür eine gute Basis dar.